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Geschichten

 

Das Kennenlernen

Ende der Achtziger chattete ich in der Annonce. Dies ist die Zeitschrift für den Raum Köln/Bonn für kostenlose private Anzeigen, in der man sein Auto zum Verkaufen anbieten, seine Sammlung zu erweitern versucht oder Gleichgesinnte jeder Art finden kann. Dort gab es auch eine Rubrik (Rubrik 19 Mitteilungen und Grüße, die später zum Club19 wurde), in der man sich, versteckt hinter einem Pseudonym - oder Nickname - per Inserat unterhalten konnte.
Damals gab es schon grins, aber auch sehr viel hä?, weil man bei dieser umständlichen, langwierigen und altmodischen Art der Kommunikation, sehr schnell den Faden verlor. Aus diesem Grunde, aber auch aus Neugier, mit wem man es zu tun hatte, wurden die Club 19 Treffs, z. B. im "Schm...ellers" in der Kyffhäuserstr in Köln eingerichtet. Dabei stellt man fest, ähnlich wie heute beim Chatten, dass man auch mit Leuten kommunizierte, die man in einer Kneipe oder so wahrscheinlich nie angesprochen hätte.
Man traf auch Menschen, bei denen es offensichtlich war, weswegen sie hinter einem Nickname versteckt versuchen, sich interessant zu machen. Man konnte aber auch positive Überraschungen erleben. So habe ich (Erbprinzessin Sylvia Silberlocke von Gronau) dort meinen mir inzwischen Angetrauten kennengelernt, der sich seinerzeit Frodo nannte.

Der Heiratsantrag

Den Tag unseres Jubiläums zum verflixten 7. Jahr hat Michael zum Anlaß genommen, mir einen Heiratsantrag zu machen. - Und ich dachte schon, er fragt mich nie!
Und zwar tat er es formvollendet mit Kniefall und einer klitzekleinen Schachtel vom Juwelier in der Hand. Da er selber keine Fingerringe trägt, befanden sich Ohrringe in der Schatulle.
Natürlich habe ich - ohne zu zögern - ja gesagt.

Unsere Eltern, sonst grundsätzlich verschieden, reagierten auf unser Vorhabenidentisch:
1. Reaktion: "Wurde ja auch langsam Zeit!"
2. Reaktion: "Oje, was ziehe ich da bloß an!"
Die Kollegen dagegen dachten als erstes wir müssen heiraten. Besonders unsere Personal-sachbearbeiterin bekam fast einen Nervenzusammenbruch, da sie zu der Zeit bereits für 3 schwangere Kolleginnen Ersatz beschaffen musste...

Die Hochzeitsfeierplanungen

Von den ganzen Planungen, die dann folgten, kann ja wohl jeder ein Lied singen, der schon mal geheiratet hat. Daher möchte ich hier nur die Story meines Kleides rauspicken:
Ich war mir sicher, dass dies eine sehr schwierige Angelegenheit zu werden drohte. Eigentlich mochte ich die typischen Brautkleider aus Tüll und Spitze noch nie. Und dafür, dass mir solch plüschige Sahnebaisers überhaupt nicht gefallen, wollte ich keine 1.000,- DM hinlegen. Daher war vornherein klar, dass ich mein Kleid leihen würde.
Auf ging's zum Marathon durch die Brautmodengeschäfte. Bei Buse in Köln redete man mich doch tatsächlich mit gnädiges Fräulein an. Da hätte ich vielleicht schon wieder auf dem Absatz kehrt machen und den Laden fluchtartig verlassen sollen. Überhaupt kam ich mir nicht richtig ernst genommen vor, weil ich das Kleid leihen wollte. Da hängen die Kleider in Ihrer Größe - gucken sie mal durch
Wie denn, in diesem engen Chaos?
Ein Kaufkleid probierte ich trotzdem mal an, damit ich schon mal weiß, was ich nicht will. Also, diese Schleppe wollte ich schon mal nicht. Naja, da könnte ich ja Handschuhe draus nähen, schlug man mir vor.
Und: meine Mutter ist auch nicht in Tränen der Rührung ausgebrochen, als die mich das erste Mal im Brautkleid sah. Zu allem Überfluss schenkte man mir dort auch noch eine abgrundtief häßliche Clownspuppe. (He Leute, ich bin fast 30 und keine 13, dachte ich mir so, wobei mir die Puppe mit 13 wahrscheinlich auch schon nicht gefallen hätte).
Wo wir gerade in Köln waren, gingen wir auch zu Bärbel Brandt (weil frau da einfach hin muß). Dort gab es immerhin eine lustige Kleiderkammer, in der man von einer Kammerzofe angekleidet wurde und sich wie eine Prinzessin fühlte. Dies ist auch nötig, da man bei den vielen Rüschen und Röcken und der Menge Stoff schnell den Überblick verliert.
beim Reiswerfen Letzendlich bin ich bei Buse in Leverkusen fündig geworden. Diese kompetenten Verkäuferinnen haben mir sofort angesehen, was ich mir vorstellte und gar nicht erst irgendwelchen Kitsch angeschleppt. Klasse!
Aber der große Schock folgte: Ich habe durch hartnäckiges Training im Fitnessstudio extra 8 Kilo abgenommen, um kein Kleid in Größe 40 nehmen zu müssen und dann paßt mir noch nicht einmal Größe 42 so richtig. (Kein Wunder, wenn die Kleider auf zierliche Französinnen zugeschnitten sind). Dann fand ich ein Kleid, hergestellt in Österreich, wo die Frauen etwas üppiger sind - und siehe da: mir paßt Größe 38. Meins! - bis auf das alberne Häubchen.
Mir wurde erzählt, dieses Kleid sei auf der Brautmodenschau im Maritim von einem Model getragen worden - und da fiel es mir wieder ein, daß mir das Kleid dort schon gefallen hatte - bis auf das alberne Häubchen. Nur habe ich es gar nicht erst in Erwägung gezogen, weil es bestimmt nur an so einem Supermodel gut aussieht und nicht an so einer Durchschnittsfrau wie mir.
Also, mein Kleid war nicht lang, und nicht weiß und nicht typisch Brautkleid! Es war knielang, champagnerfarbig, bestehend aus einem Unterkleid mit hinten längerem Spitzenmantel.
Nachdem ich mich dafür entschieden hatte, gestand meine Mutter mir, dass das Kleid, welches sie auf der Feier anziehen wollte, so ähnlich aussieht.
Tja, sie hat sich ein Neues aussuchen müssen...
Nun sind fast 4 Jahre vergangen und ich bin noch immer sehr gern verheiratet. Ich würde auch immer wieder heiraten und auch immer wieder denselben Mann. Unsere Hochzeit war auch ein sehr schöner Tag in unserem Leben, aber es war ganz bestimmt nicht mein schönster Tag.
Vielleicht bin ich Kopfmensch auch zu unromantisch oder es liegt einfach daran, dass wir uns schon so lange kannten und schon so viele schönste Tage miteinander erlebt haben.
Viele liebe Grüße
Sylvia am 12.04.2000

 

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